Naturwaldreservate im Bayerischen Staatswald
Bekanntmachung
des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 18. Juni 1999 Nr. F 5-NL 360-8 I. Naturwaldreservate bestehen
im bayerischen Staatswald seit 1978. Ihre Anfänge reichen jedoch teilweise mehrere Jahrzehnte zurück. Durch Aufnahme in Art. 18 Abs. 3 des Waldgesetzes für Bayern (BayWaldG) erlangten sie 1982 den
Status einer eigenständigen gesetzlichen Schutzgebietskategorie. Seit 01.01.1998 können auch im Körperschaftswald Naturwaldreservate eingerichtet werden (Art. 19 Abs. 1 Sätze 4 und 5
BayWaldG). Der für den Staatswald maßgebliche Art. 18 Abs. 3 BayWaldG gilt dabei sinngemäß. Nachfolgende Hinweise sind bei der Einrichtung von Naturwaldreservaten in Wäldern, die im
Alleineigentum des Freistaates Bayern stehen, und in Körperschaftswäldern nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayWaldG zu beachten.
II. 1 Einrichtung von Naturwaldreservaten 1.1
Natürliche und naturnahe Waldungen sind in unseren zunehmend naturfernen Landschaften Zeugen unverfälschter Natur. Sie bilden eine wichtige Grundlage für die Erforschung vom Menschen
unbeeinflusster Waldökosysteme und der in ihnen wirksamen Naturkräfte als Voraussetzung für eine entsprechende Gestaltung des Waldes und eine nachhaltig optimale Bewirtschaftung der Wälder.
Darüber hinaus kommt ihnen große Bedeutung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt, insbesondere hinsichtlich seltener Pflanzen- und Tierbiotope, sowie für die naturkundliche Information der
Bevölkerung zu. Ihre Erhaltung und Bewahrung stellt eine ethische Verpflichtung gegenüber Mensch und Natur und zugleich eine landeskulturelle Aufgabe dar. Aufgrund des hohen wissenschaftlichen
und ideellen Wertes natürlicher und naturnaher Wälder werden im bayerischen Staatswald und auf Antrag einer Körperschaft im Körperschaftswald Naturwaldreservate eingerichtet. 1.2 Die
Naturwaldreservate dienen bevorzugt dazu, a) die für die Waldstandorte Bayerns kennzeichnenden natürlichen und naturnahen Lebensgemeinschaften des Waldes mit ihren Böden, ihren Pflanzen- und
Tiergesellschaften auf ausreichend großen Flächen auf Dauer zu erhalten; b) der forstwissenschaftlichen Forschung und der Waldbaupraxis Erkenntnisse für naturnahe Waldbehandlung durch laufende
Beobachtungen zu ermöglichen und darüber hinaus; c) allgemein der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung zur Klärung der in unbeeinflussten Lebensgemeinschaften wirksamen Kräfte und der
Beziehungen des Waldes zu anderen Lebensgemeinschaften zur Verfügung zu stehen. 1.3 Als Naturwaldreservate sind solche Waldteile geeignet, die nachstehende Anforderungen erfüllen: a)
Sie sollen die in Bayern vorkommenden natürlichen Waldgesellschaften und ihre Standorte repräsentieren; sie umfassen damit sowohl seltene beziehungsweise auf Extremstandorten vorkommende Waldtypen
als auch flächig verbreitete naturnahe Waldformen auf mittleren und guten Standorten; b) Sie sollen eine möglichst naturnahe Bestockung nach Baumartenzusammensetzung und Struktur aufweisen;
c) Sie sollen Waldflächen umfassen, die so groß sind (in der Regel mindestens 10 ha), dass ihre Kerngebiete von Randwirkungen möglichst unbeeinflusst sind. 1.4 Für die
Naturwaldreservate sind nachstehende Bestimmungen zu beachten. Für Flächen von Naturwaldreservaten, die in Naturschutzgebieten liegen, gelten zusätzlich die Vorschriften der einschlägigen
Verordnungen. Da Naturwaldreservate vorrangig der wissenschaftlichen Erforschung natürlicher Lebensabläufe in von Menschen unbeeinflussten Wäldern dienen, sind Zielkonflikte i.d.R nicht zu
erwarten.
2 Auswirkungen Die Einrichtung eines Naturwaldreservats hat
folgende Auswirkungen: Freistellung von der Pflicht zur sachgemäßen Bewirtschaftung (Art. 14 Abs. 1 BayWaldG), nahezu vollständiges Verbot forstwirtschaftlicher Maßnahmen (vgl. nachfolgend
auch Nr. 3), erhöhter Schutz vor Rodungen (Art. 9 Abs. 4 und 7 BayWaldG). Die an das Naturwaldreservat grenzenden Waldbestände im eigenen Besitz sind bei der forstlichen Planung und
Bewirtschaftung so zu behandeln, dass Beeinträchtigungen oder Gefährdungen des Reservates vermieden werden. Die zielgemäße Behandlung dieser umgebenden Waldbestände ist sicherzustellen. Im
Körperschaftswald werden Naturwaldreservate bei der Entgeltermittlung nach Anlage 4 zur Körperschaftswaldverordnung als Abzugsfläche berücksichtigt.
3 Behandlung der Naturwaldreservate 3.1 Die
Naturwaldreservate sind in die Waldfunktionspläne und -karten aufzunehmen. 3.2 Bei der langfristigen Forstbetriebsplanung (Forsteinrichtung) sind die Naturwaldreservate wie folgt zu
behandeln: Soweit möglich, sind die Naturwaldreservate zu einer forsteinrichtungstechnischen Einheit (Unterabteilung, Abteilung) zusammenzufassen. Die Naturwaldreservate sind als
Waldbestände a.r.B. zu führen. Die umgebenden Bestände um die Naturwaldreservate sind bei den entsprechenden Nutzungsarten zu führen. Die von den Forstdirektionen hierfür besonders
festzulegenden Maßnahmen sind in die Waldpflegepläne beziehungsweise Revierbücher zu übernehmen. Die Naturwaldreservate werden auf den forstlichen Betriebskarten durch dunkelgrüne senkrechte
Schraffur mit dem Symbol NR in einem Kreis dargestellt. 3.3 In Naturwaldreservaten sind grundsätzlich forstwirtschaftliche und forstbetriebliche Maßnahmen zu unterlassen. Insbesondere sind
untersagt: alle forstwirtschaftlichen Nutzungen einschließlich der Aufarbeitung durch biotische und abiotische Einwirkungen geschädigter beziehungsweise umgestürzter Bäume, alle
Veränderungen der Bestockung durch Saat oder Pflanzung, alle Maßnahmen zur Beeinflussung der Böden sowie der Tier- und Pflanzenwelt, insbesondere Gras-, Unkraut- sowie Schädlingsbekämpfung,
die Neuanlage von Gräben, Wegen und Aufhieben für andere Zwecke, die Anlage von Wildfütterungen und Wildwiesen beziehungsweise Wildäckern. 3.4 Ausnahmen können in dringenden
Fällen, vor allem aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht, zur Abwendung von größeren Beeinträchtigungen benachbarten Waldes im eigenen Besitz oder von Beeinträchtigungen von Wald in
fremden Besitz, zur Bereinigung eines durch menschliche Eingriffe entstandenen naturwidrigen Zustandes im Naturwaldreservat, zum Schutz oder zur Erhaltung des Naturwaldreservats oder für
wissenschaftliche Untersuchungen von der zuständigen Forstdirektion genehmigt werden, nötigenfalls im Benehmen mit der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF). Der Anlass und die
getroffenen Maßnahmen sind schriftlich festzuhalten. Auf die Beachtung etwaiger Sonderregelungen in Naturschutzgebieten wird nochmals hingewiesen. 3.5 Zur Sicherung des Bestandes und der
Entwicklung der Naturwaldreservate werden sie der besonderen Obhut und Überwachung der zuständigen staatlichen und kommunalen Behörden und ihres Personals empfohlen. Von außen kommende Störungen
(Abwässer, Müllablagerungen u.a.) sind möglichst abzuwehren. Die Entwicklung von Forstschädlingen ist aufmerksam zu überwachen. Bei zu befürchtenden Beeinträchtigungen im Sinne der Nr. 3.4
Tirets 1 und 2 ist die dort vorgesehene Ausnahmegenehmigung unverzüglich zu beantragen. 3.6 In jedem Naturwaldreservat werden zur Erfassung der Entwicklungsdynamik repräsentative Flächen
von im Durchschnitt 1 ha Größe aufgenommen, die zur Sicherung der Beobachtungen fest markiert und eingezäunt werden. Darüber hinaus sind die Aufnahme von Bestandsstrukturprofilen,
Bodenfeinkartierungen und spezielle Vegetationsaufnahmen vorgesehen.
4 Sonstige Bestimmungen 4.1 Die Naturwaldreservate
werden beim Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in einem Verzeichnis (Anlage 1) geführt. Das Verzeichnis der
Naturwaldreservate wird im Allgemeinen Ministerialblatt veröffentlicht. Das gleiche gilt für Änderungen, Ergänzungen und Streichungen in gewissen Zeitabständen. In diesem Verzeichnis sind alle
Naturwaldreservate nach Lage, Größe, Forstamts- und Gemeindezugehörigkeit sowie evtl. Besonderheiten enthalten. 4.2 Die langfristige Betreuung der Naturwaldreservate wird der LWF
übertragen. Sie koordiniert die wissenschaftliche Arbeit in den Naturwaldreservaten. Hierzu werden dort Übersichten mit genauen Bestands- und Standortsangaben für jedes Reservat sowie
entsprechende Kartenunterlagen geführt und Veröffentlichungen über Untersuchungen in Naturwaldreservaten gesammelt, in die Interessenten Einblick nehmen können. Die zuständigen Forstbehörden
informieren sich gegenseitig über Angelegenheiten, die die in ihrem Bereich liegenden Naturwaldreservate betreffen. 4.3 Die Forschung in den Naturwaldreservaten im Staatswald wird durch die
Bestimmungen der Bekanntmachung "Lehre und Forschung in den Wäldern der Bayerischen Staatsforstverwaltung" vom 28.08.1996 (AllMBI S 634) geregelt. Forschungsarbeiten sind schonend und ohne
nennenswerte Veränderungen des Naturwaldreservats durchzuführen. Diese Bekanntmachung ist sinngemäß auch in Naturwaldreservaten im Körperschaftswald anzuwenden. Dort ist jedoch für
Forschungsarbeiten das Einvernehmen der Körperschaft erforderlich. Die Körperschaft wird kostenlos über Forschungsergebnisse, die im Auftrag der Staatsforstverwaltung in ihren Naturwaldreservaten
gewonnen werden, informiert. 4.4 Das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und die LWF sind von allen größeren Schäden, die in Naturwaldreservaten z.B. durch Sturm,
Waldbrand u.ä. eintreten beziehungsweise innen drohen (z.B. Insektenfraß) in Kenntnis zu setzen. 4.5 Die Forstämter halten in regelmäßigen Begangsprotokollen auffällige Ereignisse und
Beobachtungen in Naturwaldreservaten oder in deren näherer Umgebung fest und übermitteln diese Berichte der LWF. Im Körperschaftswald erstellt diese Berichte die für die Betriebsausführung
zuständige Person.
III. Für den Körperschaftswald gelten folgende besonderen
Hinweise: Naturwaldreservate können - außer im Staatswald - nur im Körperschaftswald im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 BayWaldG eingerichtet werden. Die Körperschaft reicht den Antrag auf
Einrichtung eines Naturwaldreservats (Anlage 2) mit einer kartenmäßigen Darstellung beim Forstamt ein. Das Forstamt leitet den Antrag mit einer
Stellungnahme an die LWF weiter. Die Forstdirektion erhält einen Abdruck. Die LWF prüft die fachliche Eignung des vorgeschlagenen Gebiets und legt ihre Bewertung zusammen mit einer
Handlungsempfehlung dem Staatsministerium vor. Sofern die inhaltlichen Voraussetzungen für die Einrichtung vorliegen und die damit verbundenen Rechte und Pflichten von der Körperschaft als
verbindlich anerkannt werden, wird dem Antrag stattgegeben, soweit nicht sonstiges öffentliches Recht entgegensteht. Das Staatsministerium nimmt die Fläche in das Verzeichnis der
Naturwaldreservate auf. Das fortgeschriebene Verzeichnis wird regelmäßig im Allgemeinen Ministerialblatt veröffentlicht. Die Einrichtung wird wirksam, sobald die untere Forstbehörde der
Körperschaft die Aufnahme in das Verzeichnis mitteilt. Die Einrichtung eines Naturwaldreservats ist gebührenfrei (Art. 4 Abs. 1 Kostengesetz - KG). Das Forstamt stellt der Körperschaft
lediglich die Auslagen der Forstbehörden (Art. 5, 13 KG) in Rechnung. Die Körperschaft ist an die Zweckbestimmung und Ziele des Naturwaldreservats gebunden, solange dieses besteht. Die
Forstbehörden achten im Rahmen der Forstaufsicht auf die Einhaltung der damit verbundenen Pflichten. Auf Antrag der Körperschaft hebt das Forstamt die Einrichtung des Naturwaldreservats
auf. Bei Zuwiderhandlungen gegen Zweckbestimmung und Ziele kann das Naturwaldreservat nach Anhörung der Körperschaft von Amts wegen aus dem Verzeichnis gestrichen werden. Das Führen der
Bezeichnung "Naturwaldreservat" ist nur zulässig, solange das Gebiet im Verzeichnis der Naturwaldreservate eingetragen ist.
IV. Die Forstdirektionen und die Forstämter werden
gebeten, auf die Einhaltung der Bestimmungen zum Schutz der Naturwaldreservate, vor allem das Verbot jeglicher Veränderungen, besonders zu achten. Diese Bekanntmachung tritt mit dem Tag ihrer
Veröffentlichung in Kraft. Die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 20.02.1978 (LMBI S. 191), geändert durch Bek. vom 02.06.1993 (AllMBI
S. 893) und durch Bek. vom 14.01.1998 (AllMBI S. 158), wird aufgehoben.
I.A. Dr. Schreyer,Ministerialdirektor
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